“Back to the roots?” – Ein Bericht von der “Caravan” 2006 [\center]
Ich bin erschlagen – erschlagen von der Masse an Lifestyle-Design und „Camper Events“, erschlagen vom Plastik-Look und vom Marketing-Geschwätz: „(...) ein wahrer Tempel der Schönheit“, „Comfort meets Design“.
„Die komfortable Art Aufsehen zu erregen.“ Aha, darum geht’s also, auf dem „Caravan Salon 2006“ in Düsseldorf.
Links: Beeindruckend, doch wie ein Fremdkörper auf der Campingwiese - mitte: Aggressionen? - wir wollten doch reisen und Menschen kennenlernen - rechts: Da seid ihr platt, die Natur auch.
Ich hätte es ahnen können, auf der „Caravan“ vor vier Jahren – mein letzter Besuch - zeichnete es sich schon ab:
Alles ist Kurve. Abenteuerlich geformte GFK-Teile wölbten sich massenhaft über Kastenaufbauten und geschwungene Wohnmobil-Heckskulpturen machten dem Hintermann klar: „Mir san mir“ und
Caravaning ist ein einziger Selbstdarstellungstrip. Ihr seht schon, dies ist ein subjektiver Messebericht. Nichts gegen Neues und gutes Design. Aber es sollte das unterstützen, was wir wollen: reisen und campen.
Genug geärgert.
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Holtkamper "Offroad"
Holtkamper ist auf den
Outdoor-Tripp aufgesprungen. Hin zu leichteren und vor allem optisch attraktiveren Faltern geht der Weg des niederländischen Falterproduzenten. Ihren großen Rechts-Links-Klapper
„Feluka“ haben sie aus dem offiziellen Programm genommen und die Modelle
„Cocoon“ und
„Astro“ technisch und optisch radikal verändert.
Links: Der "Cocoon" ohne Deichselaufbau - mitte: "Astro" im Outdoor-Look - rechts: "Cocoon" mit Motorradträger.
Ihr seht, Holtkamper geht mit den neuen „Cocoon“- und „Astro“-Modellen weg vom Kastendesign und hat einen
Rohrrahmen mit nach eigener Aussage
steinschlagfester Plane konstruiert. Neben dem neuen „Look“ hat sich auch das Gewicht reduziert, ein Cocoon“ bringt in der „Ultra-Light“-Ausführung 220 und in der „Ultimate Offroad“-Version ca. 280 Kilogramm auf die Waage. Der eine kann 530, der andere 470 Kilogramm zuladen. Dadurch ist es möglich, ein Motorrad und hintern zwei Fahrräder mitzunehmen.
Links: "Cocoon" mit Fahrrad-Heckträger - mitte: "Astro" wird aufgezogen - rechts: "Cocoon" mit "James Cook"-Küche.
Für die
Top-Küche von Holtkamper, „James Cook“, sind 1995 Euro zu berappen. Es gibt noch eine für 1495 Euro und eine für 895 Euro. Im Preis inbegriffen ist die links im Bild unten links zu sehende kleine weiße Küche mit einem Dreiflamm-Kocher, die ist schon recht ordentlich, wie ich finde Man kann die Holtkamper-Klapper mit einem so genannten
Membrane-System ordern. Da wird über die Zeltplane in einem Abstand von einigen Zentimetern eine zweite Plane gespannt. Der so entstandene Spalt läßt die Luft durchströmen und wirkt bei heißem Wetter kühlend und ausgleichend. Bei schlechtem Wetter wird die obere Plane abgesenkt.
Links: "Cocoon" aufgebaut, links die kleine Standardküche - mitte: Das Membran-System - rechts: Das Vorzeltgestänge ist integriert und muss im wesentlichen nur noch ausgezogen werden
Kommen wir zu den Preisen. Bei der „James-Cook“-Küche habt ihr vermutlich erst mal nach Luft geschnappt. Manch einer kauft sich für diesen Berag drei gebrauchte Alpenkreuzer. Der kleinste, der „Cocoon S Membrane Airco“, startet bei 6995 Euro, der „Astro Membrane Airco“ beginnt ebenfalls bei 6995 Euro, den „Spacer“ gibt es ab 9945 Euro und der „Flyer“ beginnt bei 10 975 Euro, die letzten beiden haben noch einen kastenförmigen Hauptwagen.
Preislich sind Holtkamper Klapper absolute Top-Liga, dafür bekommt man auch einen veritablen Wohnwagen. Holtkamper begründet sein Preisniveau damit, das beste Material zu verwenden (Wir machen alles selbst“) mit den kreativsten Ideen („Wir haben die Falter, die sich am schnellsten aufbauen lassen - „Weltrekord“) kombinieren. Im Board ist ein Mitglied, das einen Holtkamper fährt, vielleicht kennt ihr noch andere.
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3Dog camping – back to the roots
In der deutschen Falter-Wüste sprießt ein neues Pflänzchen:
3Dog camping aus Hamburg. Die Jungs aus dem Hohen Norden haben bei Reisen im tiefen Süden (Australien) einige Ideen aus der dortigen Falterproduktion mitgebracht und versuchen sich damit seit einiger Zeit im Markt hier zu etablieren.
Links: "ScoutDog, der kleinste, Hauptzelt aufgebaut - mitte: Vorzelt des TrailDog (der größte) - rechts: Belüftung beim ScoutDog.
3Dog-Falter haben eine klare Linie und vermitteln ein Gefühl der
Robustheit. Keine verspielten Abspannflächen hier oder putzige Gardinchen dort. Alles wirkt durchdacht, die Konzentration auf das Wesentliche wird deutlich. Hier unterscheiden sich zum Beispiel die Falter von Holtkamper – die neuen sind eher am Camping-Lifestyle orientiert, 3Dog camping steht dagegen eher für eine pfiffige Art zurück zu den Wurzeln – back to the roots - des Campens.
Die
Hänger werden nach eigenen Angaben im Süddeutschen gebaut, das Zelt wie die Bauform kommen aus
Australien. In Hamburg wird von einer jungen Crew entwickelt und montiert. Und das Ergebnis macht einen Vertrauens erweckenden Eindruck. Fahrgestell feuerverzinkt, der Wagen besteht sonst aus eloxiertem Aluminium. Das Zelt kann abgenommen und der Wagen auch nur als Hänger benutzt werden. Der Wagen kann bei 180 Kilogramm Eigengewicht zusätzlich 520 Kilogramm transportieren, das Ganze kann auf maximal 1300 Kilogramm Gesamtgewicht aufgestockt werden, robuste Daten
Links: Bett im 3Dog aufgeklappt, mit Stauraum darunter - mitte: Scharniere aus Edelstahl - rechts: Haupzelt-Dach.
Das Gestänge im Innenraum ist aus Aluminium, alle Schrauben aus
rostfreiem Edelstahl, da kann nichts rosten. Die drei Faltermodelle sind
äußerst schnell aufgebaut und durch unterschiedliche Anbauzelte vielseitig erweiterbar, eine Art Modulkonzept, bis zu 34 Quadratmeter Grundfläche beim größten Modell „TrailDog“. Die 3Dog-Falter haben keine Innenzelte. Nach Angaben von Geschäftsführer Julian Nocke sind ihre Falter so konstruiert, daß im Inneren keine Tropfen durch Schwitzwasser entstehen. Die Belüftung und das Zeltmaterial sei so gearbeitet, daß immer ein Luftaustausch garantiert ist. Die Zeltplane ist ein sehr robustes und gut verarbeitetes Baumwollgewebe, ich meine rund 360 Gramm pro Quadratmeter.
Alle Bilder: Das Hauptzelt des ScoutDog ist, wie bei allen 3Dog-Faltern, sehr schnell aufgezogen.
Alle drei 3Dog-Modelle sind äußerst schnell aufzustellen. Im Prinzip muß das Hauptzelt nur aufgezogen werden, die Zusatzräume benötigen natürlich dann mehr Zeit. Das Bett hat immer die stattliche Größe von 1,80 x 2,00 Meter. Die Firma bietet drei Faltermodelle (und ein Auto-Dachzelt „TopDog, 3160 Euro) an. Sie haben alle den gleichen Hauptwagen und unterscheiden sich nur durch die Größe des Hauptzeltes: „ScoutDog“ für zwei Leute (5380 Euro), „TrekDog“ (5660 Euro) mit einem größeren Hauptzelt und „TrailDog“ (6240 Euro) schon eher für die Familie. Die Preise liegen im Vergleich zu den anderen Herstellern im oberen Drittel.
Ungewöhnlich und vermutlich gewöhnungsbedürftig ist die Höhe des Bettes. Da es auf dem Hänger aufliegt, müsst ihr mit einer kleinen Leiter hoch, runtergefallen ist aber noch niemand. Alle Türen und Fenster haben hochwertige Moskitonetze, aber der Schlafraum ist nicht noch durch ein weiteres Moskitonetz abgetrennt (auf Wunsch wird auch das hergestellt). Julian Nocke ist der Ansicht, wenn keine Mücken, dann überall keine Mücken. Schaun wir mal, ob sich das in der Praxis bewährt.
Links: Küchenmodul (Extra) - mitte: Pumpe im Küchenmodul - rechts: Heck des Hängers.
Ach ja, auch 3Dog bietet zusätzlich eine Küche an, die nach Augenschein sehr gut verarbeitet ist. Da sind hochwertige Teile, wie zum Beispiel die Pumpe, verbaut. Sie schlägt mit 1780 Euro zu Buche. Alle Falter haben schon die 100 Km/h-Zulassung, da muss nichts mehr nachgerüstet werden. Übrigens, 3Dog-Falter kann man auch
mieten. Zum Beispiel „TrekDog“ (der mittlere) 27, 31 und 34 Euro Pro Tag, je nach Saison, Service-Pauschale 75 Euro.
Tja, nach Aussagen von 3Dog, wie übrigens auch von Holtkamper, ist das Interesse an den Faltern groß, und es wird auch gekauft.
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Gelsenkirchener Barock?
Die Gespräche mit den Falter-Leuten hatten mich den ganzen Lifestyle-Hype vergessen lassen und so ich schaute mutig „über den Zaun“ zu den
Wohnwagen. Gefühlte 20 000 Design-Kisten, die in meinen Augen alle gleich aussahen, brüllten: „Ich bin einzigartig, kauf mich.“ Entnervt rettete ich mich in einen
„Premium-Caravan“ und entdeckte Vertrautes. Im spiegelnden Glanz des Ceran-Kochfeldes sah ich ihn, den durch die Designabteilung gefilterten Abglanz des Gelsenkirchener Barocks.
Links: Trautes Heim - mitte: güldene Steckdosenabdeckung, mein offizielles Caravan-Salon-Bild – rechts: güldene Stores und Vorhang zu.
Ich habe leider vergessen, welcher Hersteller diese Pretiosen anbietet. Könnt ihr aber leicht selbst rausfinden, er hat seine Wohnwagen in einer ganz individuellen Farbe angestrichen: weiß
Nach Rettung suchend irrte ich ziellos in der Ausstellungshalle umher und hinter einer Wand aus dekorativ aufgehängten CD-Scheiben entdeckte ich ihn, den „Tabbert @“.
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„Tabbert @“ - der frisch Freche aus der Marketingabteilung
Der Anblick eines
„Tabbert @“ lässt einen spontan
lächeln. Man nimmt ihm nicht übel, dass sich hier die Marketingabteilung ausgetobt hat: „Abenteuerbolide“, „ultimative Geschmacksnote“, „KultCaravan“. Dem „Tabbert @“ verzeih ich all das Geschwätz. Wir hatten ihn schon im Frankreichurlaub gesehen, als wir die Besitzer am nächsten Tag ansprechen wollten, waren sie schon weitergezogen.
Links: "Tabbert @" in "Sunrise" (das ist die Farbe) - mitte: Innenraum des "@" - rechts: Rückseite in der Version "Silber".
Der „Tabbert @“ ist unvernünftig. Gemessen an der Grundfläche hat er durch die Ei-Form relativ wenig Innenraum. Und selbst die farbige Plastikumrandung passt zu diesem Stück. Sollte man sich satt gesehen haben, lässt sich vermutlich eine dezentere Farbe anschrauben. Der „Tabbert @“, das hat die Marketingabteilung geschickt gemacht, spricht das Gefühl an: „zurück zu den Wurzeln“ an. (Für Jüngere: „back to the roots"
)
Gut, der „@“ ist nur für zwei Camper. Sollte der Nachwuchs wegen der „nervigen Eltern“ im eigenen Zelt nächtigen, dann ist der „Tabbert @“ eine Überlegung wert. Vor allem, da er einen sehr
attraktiven Preis hat. Der „T@B 320 RS“ ist für 6690 Euro und der T@BOffRoad ab 8190 Euro zu haben. Damit konkurriert er preislich mit etablierten Faltern wie dem Trigano „Vendome“ und liegt unter dem oben genannten Holtkamper „Flyer“. Klar, damit vergleiche ich Äpfel mit Birnen, aber aus den Debatten hier im Forum wissen wir, dass einige aus den unterschiedlichsten Gründen mit einem Wohnwagen liebäugeln.
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„Paul & Paula“ – die pfiffige Kiste
Im Gegensatz zum Faltermarkt tut sich einiges im Wohnwagenbereich. Damit meine ich nicht die 25. Polstergarnitur, sondern neue Konzepte. Seit einiger Zeit bietet eine deutsche Firma aus dem Osten (Großenhain nahe Dresden) einen kleinen, preiswerten und funktionellen Wohnwagen in zwei pfiffigen Designvarianten an:
„Paul“ und eben „Paula“. Sie unterscheiden sich nur in der Farbgebung.
"Paul & Paula".
Das Paul&Paula-Konzept verfolgt auch die Idee „zurück zum Einfachen“. Klare Linienführung, Besinnung auf das Notwendige, kompakte Maße und attraktive Preise. „Paul & Paula“ gibt es in drei Ausstattungsvarianten: „Basic“ ist ab 4999 Euro zu haben, „Plus“ beginnt bei 5555 Euro und „Premium“ startet bei 6999 Euro. Preislich konkurriert dieser Wohnwagen direkt mit den Faltern.
„Paul & Paula“ fanden bei den Besuchern reges Interesse, obwohl sie am Rande einer Halle platziert waren. Bei mir als altem „Zelter“ hinterließ der Wohnwagen gemischte Gefühle. Bei kleinen Wohnwagenkonzepten beschleicht mich beim Hineingehen immer so ein „Enge-Gefühl“, aber das ist halt sehr subjektiv. Ich fand ihn recht praktikabel und kann mir vorstellen, dass sich einige, für die zum Beispiel der „Tabbert@“ zu stylisch ist, für so ein kompaktes Wohnwagen-Konzept begeistern können.
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„Deseo“ von Eifelland - zurück in die Zukunft?
Der
„Deseo“ von Eiffelland fällt auf: Man bekommt ab 5990 Euro eine riesige, recht gefällig gestaltete „Kiste“, zu einem echten Kampfpreis. Auch beim „Deseo“ fällt von außen die klare Linienführung auf, die sich im Inneren mit frischen Farben und schnörkellosen „Möbeln“ – u. a. Hängeschränke aus Stoff - fortsetzt.
Links: "Deseo" Sitzecke - mitte: "Deseo" Außenansicht - rechts: Kinderbetten im "Deseo".
Der „Deseo“ ist
modular aufgebaut. Je nach Bedürfnis und Geldbeutel kann man die Inneneinrichtung zusammenstellen und ausbauen. Die Entwickler haben nach meinem Eindruck darauf geachtet, dass die Funktion der Einrichtung im Vordergrund steht. Mir ist so ein großer Wohnwagen eher fremd. Aber eine Familie mit zwei Kindern kann ich mir darin gut vorstellen. Mit dem
„Deseoactive“ gibt es auch eine Variante, in der z. B. eine
Motorrad im Inneren transportiert werden kann.
Tja:. Wie seht ihr das „Deseo“-Konzept? Einfach ein abgespeckter Wohnwagen für Arme? Oder ein Schritt in die richtige Richtung?
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Nachbetrachtung
Ich war früher gern auf der „Caravan“ und kam immer mit reichlich Anregungen und Eindrücken zurück. Dieses Mal musste ich mich durch eine endlose Reihe von aufgebrezelten Wohnwagen und Wohnmobilen quälen. Diese immergleichen Formen schienen nur einem Zweck zu dienen: Der Selbstdarstellung des Besitzers. Aber wie schon gesagt, dies ist ein sehr persönlicher Bericht.
Beste Grüße, Rod